Früher dachte ich, dass ich im Alter einmal in den Süden ziehen werde. Immer Sommer, immer Sonne. Azurblaues Wasser im Blick, das Rauschen des Meeres in den Ohren und nach dem Baden den salzigen Geschmack auf den Lippen. Pinien vor dem Fenster und ein Blütenmeer rund um die Terrasse. Die Leichtigkeit des Seins. Ein Wunschtraum den ich mir mit allen Sinnen vorstellen konnte.
Ein paar Jahre später, verfiel ich aber dann Irland. Die Südwestküste immer grün, wild und mystisch. Mit Fuchsien überwucherte Ruinen, Steinkreise, schroffe Küstenfelsen, kleine glasklare Buchten, rare aber verzaubernde Waldstücke mit dicken Moospolstern, riesigen Farnen und uralten Bäumen mit schroffer Rinde. Am Abend der Geruch des Torffeuers vom offenen Kamin, grandiose Sonnenuntergänge im Blick und nächtens ein klarer Himmel mit tausenden von Sternen und einem wundervollen Mond. Im Frühjahr ist der Himmel weit und aufgeräumt. Im Sommer gibt es warme Sonnentage und einen tiefblauen Himmel.
Aber der irische Herbst und der Winter sind nur schwer zu ertragen. Zwar mild, aber sehr stürmisch, ständig feucht, wolkenverhangen, das macht melancholisch. Dunkel wie Guinness. Schwermut überkommt einen bei dem bleiernen Himmel. Ein wilder Wind treibt den Regen quer über die Küstenfelsen weit ins Land und pfeift und brüllt einem ständig um die Ohren.
Im Süden würde der Wechsel der Jahreszeiten fehlen. Jeden Tag im Blütenmeer, das sättigt und macht überdrüssig. Es fehlt die Freude auf ein neues frisches Grün, das langsame Ansteigen der Temperatur, die wechselnden Farben der Blüten, das Verfärben des Laubs und die raschelnden Blätter. Das Knirschen der Schritte im frischen Schnee, die glitzernden Lichtreflexe der Eiskristalle.
In Irland kriecht einem im Winter die Feuchtigkeit in die Knochen und die von Winterstürmen getriebenen Nebel und der von tiefen Wolken verhangene Himmel machen traurig. Wie ein langer, nicht endender Novembertag.
Eigentlich haben es wir doch schön hier. Der zauberhafte, zarte Frühling, dann der satte, warme Sommer, ein farbenfroher Herbst und zuletzt der samtig weiße Winter. Das Alles möchte ich nicht missen. Ich glaube ich bleibe hier. So verändern sich Lebensträume.
Fotos: Sylvia Waldfrau