Ankunft am hässlichsten Flughafen der Welt. Die Großstadt Lagos mit circa 24 Millionen Einwohnern hat einen so armseligen Flughafen wie man sich das kaum vorstellen kann. Laufbänder funktionieren nicht, Anzeigetafeln hängen schief von der Decke und die meisten waren „out of order“. Nach unserer Zwischenlandung im luxuriösen Flughafen von Dubai kann der Kontrast nicht größer sein. Militär und Polizei überall, eine bedrückende Atmosphäre. Und sofort wird man von Menschenmassen umfangen, die das alles als normal ansehen. Unser Chauffeur empfängt uns und wir gehen unbedarft auf die Reise.
Unser Fahrer stürzt sich todesmutig in das Verkehrschaos, denn wir müssen auf die Autobahn Richtung Ibadan. Kein System, keine Verkehrsregeln sind zu erkennen. Kreuz und quer wird gefahren, Menschenmassen drängeln sich noch dazwischen. Man empfindet übergangslos unendliche Panik. Die Luft stinkt nach Diesel, Benzin und Öl, es wird schonungslos gedrängelt und ohne Vorwarnung die Spur gewechselt. Man sitzt erstarrt, atmet hektisch und fürchtet sich zu Tode. Der Moloch Lagos empfängt dich mit voller Wucht. Und doch müssen wir durch die ganze Stadt. Straßensperre vorn, also brettern wir ungebremst in eine Seitenstraße. Nach kurzer Zeit umfangen uns Slums. Gestank, Müll und Menschenmassen bedrängen einen und scheinen einen zu erdrücken.

Hütte an Hütte, nur getrennt von schmalen Fußwegen, drängt sich aneinander. Die Straße voller Schlaglöcher. Müll und Rinnsale unbekannter Herkunft säumen die die Wege. Die Augen sind überfordert von all dieser Armseligkeit und die Nase wird ungeheuerlich gereizt. Alle Türen gesichert durchqueren wir eine Stunde lang einen der vielen Slums von Lagos. In all der Hässlichkeit sieht man jedoch immer wieder bunt gekleidete, stolze Menschen aus den Gassen treten. Selten zuvor habe ich soviel Anmut und Schönheit bei Frauen gesehen. Wenn es einmal Ampeln gibt, dann stürmen zerlumpte Kinder, mit hohen Lasten auf dem Kopf, auf die Straße, umstellen das Auto, klopfen an die Scheiben, um schreiend ihre Waren anzupreisen. Alles wird angeboten. Auf dem Kopf werden Schalen mit Toastbrot oder Wasserflaschen balanciert, Arme voll T-Shirts und Kleidern werden dir entgegengestreckt, Hände voll Uhren und Schmuck feilgeboten. „Oyinbo, Oyinbo“ kreischen die Jugendlichen. Man ist als Weißer und damit als reicher Mensch entlarvt. Man duckt sich weg und würde am liebsten unsichtbar werden und Angst kriecht unweigerlich hoch. Und niemals zuvor habe ich mich so geschämt in diesem sicheren, teuren Auto zu sitzen mit all dieser unmenschlichen Armut vor Augen.
Endlich Licht am Ende der Hütten, endlich ist die Autobahn erreicht. Aufatmen dass man dieser Hölle entronnen ist. Die Augen suchen nach Erholung, nach Schönem dass sie besänftigt, gleichzeitig klopft das Herz noch einen Takt zu schnell.Gas geben weg, von der Überreizung aller Sinne. Busch- und Grasland säumt die Autobahn. Langsam erholt man sich.

Da, vor uns am Straßenrand, ist ein dunkler Schatten zu sehen. Beim Näherkommen sind menschliche Umrisse zu erkennen. Zusammengekrümmt und nackt liegt ein toter Mensch direkt neben der Straße. Der Fahrer gibt Gas und man donnert an diesem unfassbaren Bild vorbei. Es brennt sich für immer ins Gedächtnis ein. Warum halten wir nicht an? Zu gefährlich, ist die Antwort, es kann eine Falle sein. Tränen steigen in einem hoch. Aber wir rasen weiter, vorbei an Bäumen, kleinen Ansammlungen von schiefen Hütten, Rastplätzen überfüllt mit schweren Lkws und wackeligen Verkaufsständen.
Plötzlich ein Schlag auf die Achsen, wir werden durchgerüttelt, der Fahrer klammert sich an das Lenkrad. Metergroße Schlaglöcher mitten auf der Autobahn, durch die man ohne Vorwarnung jonglieren muss. Der Verkehr wird langsam wieder dichter und wir überholen Lkws voller weißer, magerer Rinder mit langen Hörnern, völlig überfüllte Busse und werden auch von denen noch manchmal überholt. Selbst Ungläubige beten plötzlich, dass sie dieser Hölle lebendig entkommen.

Ibadan, unser Ziel, taucht vor uns auf. Wieder empfangen uns zuerst armselige Hüttchen mit wackeligen Verkaufsständen davor, Unrat und Müll umrandet das Bild, bevor wir die ersten festen Gebäude erreichen.Große Werbeschilder für Kirchen, mit herrlichen Palästen dahinter, säumen die Straße. Welchen maßlosen Reichtum zeigen die Kirchen Nigerias, das ist eine Frechheit angesichts der erdrückenden Armut rings herum. Wieder folgt ein Verkehrschaos pur. Keine Ampeln scheinen zu funktionieren, Polizisten versuchen, in mitten des stinkenden Verkehrs, der Ströme etwas Herr zu werden. Diese werden, bei den Abgasen die sie einatmen müssen, sicherlich nicht alt. Hohe Mauern gekrönt von Stacheldraht oder Glasscherben säumen nun die Straße. Das reiche Nigera schottet sich vollkommen ab und verschanzt sich hinter diesen dicken Mauern. Denn wenn diese Massen einmal aufstehen, dann Gnade dir Gott.
Vor einem großen schmiedeeisernen Tor halten wir an. Endlich haben wir unser Ziel, die größte Universität Nigerias, erreicht. Mit einem Paßierschein für die nächsten zwei Wochen fahren wir nun in ein parkähnliches Gelände ein. Wir atmen auf.
Ich sehe Tränen in den Augen meiner Tochter. Der Kulturschock hat uns beide überwälligt und wir sind völlig erschöpft von der Überflutung von Reizen


Wir werden im Gästehaus der Uni einquartiert. Völlig erschöpft, ignorieren wir die Schäbigkeit des Zimmers, und fallen auf unsere Betten.
Fortsetzung folgt………..