Am ersten Tag machen wir morgens die Augen auf und sofort erfolgt die Erkenntnis, dass hier alles sehr, sehr schäbig ist. Am Abend zuvor waren wir zu müde um etwas wahrzunehmen. Es ist nicht dieser hier so begehrte, modische „shabby-look“, sondern ein „broken shabby-look“. Alles ist kaputt. Im Gästehaus der Uni Ibadan wird uns schnell bewusst, dass wir zwar in einem eigentlich sehr reichen Land und dessen größter Uni sind, aber Staatsgelder hier niemals ankommen. Putz bröckelt von den Wänden, die Farbe blättert ab, Fensterscheiben sind zerbrochen. Die Bäder sind verschlissen, die Toiletten meist defekt. Wir werden von Freunden in das afrikanische Duschen eingeweiht. Es tröpfelt nämlich nur aus dem Duschkopf. Aber es gibt da einen großen Eimer mit Schöpfkelle neben der Badewanne. Also Eimer füllen und sich selbst mit der Schöpfkelle übergießen. Willkommen in Nigeria geht einem durch den Kopf, hier ist Erfindungsgeist gefragt. Beim ersten Rundgang durch die Räumlichkeiten wird einem die ganze Kläglichkeit vor Augen geführt. Nicht funktionierende Kopierer, kaputte Stühle, defekte Tische. Diese Armseligkeit setzt sich in allen Räumlichkeiten fort. Die Studierenden allerdings scheinen nichts anderes zu kennen und begegnen uns fröhlich und unbeschwert.
Das Essen wird das größte Problem für uns. Alles ist extrem scharf. Es wird wohl eine fleischlose Zeit mit viel trockenem Reis werden. Morgens gibt es nur labberiges Toastbrot, das sind wir ja schon von England gewöhnt. Aber selbst die gebratenen Frühstückseier brennen vor scharfen Gewürzen im Hals. Wir werden einige Kilos leichter nach Hause fahren.
Am Sonntag Einladung zum Gottesdienst. Auf dem Unigelände ist eine große, prachtvolle Kirche. Hier ist alles neu und luxuriös. Wir werden von allen Seiten angestarrt. Ein wundervoller Gospelchor begeistert uns. Aber dann startet die Predigt wie ein Donnerhall. Der Pfarrer schreit, droht und brüllt, die Gemeinde stöhnt und klatscht ekstatisch in die Hände. Lautes Drama pur. Wir flüchten recht schnell, es wirkt fast bedrohlich auf uns. Wütende Blicke folgen uns, da wir einfach aufstehen und gehen.
Überall in der Universität gibt es viele Plakate und Poster mit Aufrufen gegen „Cultisme“. Soweit man etwas erfahren kann, handelt es sich um Geheimbünde mit alter Tradition und viel Macht und Einfluss. Es gibt wohl Kämpfe und auch Morde zwischen den einzelnen Bünden. Als wir abends in einen Studentenclub gehen wollen, wird uns abgeraten, dort sei es am Abend zuvor zwischen den Gruppierungen zu einer Messerstecherei gekommen. Immer wieder werden wir auch in Restaurants außerhalb des Unigeländes aufgefordert schnellsten zu verschwinden, da Personen auftauchen die uns in gefährliche Situationen bringen könnten. Wir selbst sehen keine Anzeichen dafür, glauben aber gerne den Ratschlägen.
Yorubafrauen als Gäste bei einer Einladung:
Unser Fahrer mit unserem Auto bei einer Einkaufsfahrt:
Stolz wird uns auch der Zoo der Universität gezeigt. So viel Elend habe ich noch nie gesehen. Affen in kleinsten rostigen Käfigen ohne einen Ast oder ein grünes Blatt.
Ein einsamer Gorilla auf einem Stück Rasen umrandet von einem Wassergraben. Löwen in einem kleinen Gehege ohne Auslauf. Teilweise mag man nicht mehr hinsehen, die Kreaturen tun einem unendlich leid und man möchte nur noch wegrennen. Bei uns wäre dieser Zoo innerhalb kürzester Zeit geschlossen.Die Hauptattracktion der anderen Besucher sind aber meistens wir. Man bestürmt uns mit der Bitte Fotos von den Oyinbos (Weißen) machen zu dürfen. Jeder der an uns vorbeigeht zückt die Kamera oder das Handy. Wir erfreuen uns dagegen an den vielen, freilebenden Lizards, die überall auf Mauern sitzen und neugierig und doch wachsam alles beobachten. Sie sind bezaubernd und entschädigen uns von den schrecklichen Bildern des Zoos.
Gegen Ende der Besichtigung gibt es plötzlich ein großes Geschrei und Männer mit Stöcken schlagen auf ein Gebüsch ein. Snake, Snake (Schlange)wird gebrüllt und alle flüchten schnell. Es gibt dort auch Schlangen deren Gift tödlich ist. Also nichts wie weg.
In den nächsten Tagen müssen wir nochmals nach Lagos und das wird die dramatischte Fahrt des ganzen Aufenthalts. Forsetzung folgt………………
Dein Bericht (auch der letzte) ist eindringlich geschrieben und deine Schilderungen plastisch. Zum Teil kannte ich die Beschreibungen schon von dir, aber sie zu lesen, ist nochmal etwas anderes. Da geht das Kopfkino an und gar nicht wieder aus…
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Beim Schreiben kommen natürlich Gefühle und Erinnerungen hoch, nach Teil I war ich richtig erschöpft. In Teil II geht es nicht ganz so dramatisch zu, vor dem Schreiben von Teil III zögere ich noch, den das waren die dramatischen Erlebnisse.
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