Giganten

Fotos: Sylvia Waldfrau

Nur eine Stunde im grünen Wald

Nur eine Stunde von Menschen fern,
Nur eine einzige Stunde!
Statt der tönenden Worte des Waldes Schweigen,
Statt des wirbelnden Tanzes der Elfen Reigen,
Statt der leuchtenden Kerzen den Abendstern,
Nur eine Stunde von Menschen fern!

Nur eine Stunde im grünen Wald,
Nur eine einzige Stunde!
Auf dem schwellenden Rasen umhaucht von Düften,
Gekühlt von den reinen balsamischen Lüften,
Wo von ferne leise das Echo schallt,
Nur eine Stunde im grünen Wald!

Nur eine Stunde im grünen Wald,
Nur eine einzige Stunde!
Wo die Halme und Blumen sich flüsternd neigen,
Wo die Vögel sich wiegen auf schwankenden Zweigen,
Wo die Quelle rauscht aus dem Felsenspalt,
Nur eine Stunde im grünen Wald!

Auguste Kurs

(1815 – 1892), deutsche Dichterin

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Herbsttag

Fotos: Sylvia Waldfrau

Herbsttag

HERR: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren lass die Winde los.

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Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
Gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
Dränge sie zur Vollendung hin und jage
Die letzte Süße in den schweren Wein.

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Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
Wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
Und wird in den Alleen hin und her
Unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke

 

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Katzen / Cats

„Ich lege mein Buch ‚Der Sinn des Zen‘ nieder und sehe die Katze.
Sie lächelt in ihr Fell und glättet es zart mit rosaroter Zunge.
‚Katze, ich möchte dir gern dieses Buch leihen, aber ich glaube, du hast es schon gelesen.‘
Sie hebt den Kopf und schaut mich schnurrend an:
‚Sei doch nicht albern. Ich habe es geschrieben.‘
Dilys Laing

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Manchmal……………

Manchmal, wenn ein Vogel ruft
oder ein Wind geht in den Zweigen
oder ein Hund bellt im fernsten Gehöft,
dann muss ich lange lauschen und schweigen.
Meine Seele flieht zurück,
bis wo vor tausend vergessenen Jahren
der Vogel und der wehende Wind
mir ähnlich und meine Brüder waren.
Meine Seele wird Baum
und ein Tier und ein Wolkenweben.
Verwandelt und fremd kehrt sie zurück
und fragt mich. Wie soll ich Antwort geben?
(Hermann Hesse)
Fotos Sylvia Waldfrau
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Wenn ich 64 bin………..

Foto: Sylvia Waldfrau

Wenn ich 64 bin

Wenn ich älter werde, mir die Haare ausfallen,
In vielen Jahren,
Wirst du mir dann noch einen Valentinsgruß schicken,
Geburtstagswünsche, eine Flasche Wein?

Wenn ich aus wäre bis Dreivierteldrei,
Würdest du die Tür versperren?
Wirst Du mich brauchen,
Wirst du mich durchfüttern,
Wenn ich 64 bin?

Du wirst auch älter sein
Und wenn du das eine Wort sagst,
Könnten wir zusammen bleiben.

Ich könnte deine Sicherung austauschen,
Wenn dir deine Lichter ausgegangen sind,
Du könntest mir vor dem Kamin einen Seelenwärmer stricken,
Sonntags morgens ne Spritztour machen

Den Garten pflegen, umgraben,
Wer könnte mehr verlangen?
Wirst Du mich brauchen,
Wirst du mich durchfüttern,
Wenn ich 64 bin?

Jeden Sommer können wir uns ein Landhaus mieten
Auf der Insel von Wight, wenn das nicht zu teuer wird
Wir können uns einschränken und sparen,
Enkelkinder auf deinem Knie,
Vera, Chuck und Dave.

Schick mir eine Postkarte, schreib mir ein paar Zeilen,
Nimm dazu Stellung,
Sag gerade heraus was du meinst,
Mit besten Grüßen sieche ich dahin

Gib mir deine Antwort, füll ein Formular aus,
„Auf ewig mein“
Wirst Du mich brauchen,
Wirst du mich durchfüttern,

Wenn ich 64 bin?

 

 

 

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