Grüß Gott

Fotos: Sylvia Waldfrau

Wer als „Neigschmeckter“  (Reingeschmeckter/hochdeutsch: Zugezogener) hier in unserer Gegend leben möchte, muss sich an einige Eigenheiten gewöhnen. Da ist dann eine kleine Einführung von Vorteil 🙂

Hier sollte man nicht „Guten Tag“ sagen sonst wird man sofort als Fremder erkannt. Nein, hier ist man gottesfürchtig und grüßt Gott viele Male am Tag. In ländlichen Gegenden wird jeder mit „Grüß Gott“ begrüßt, egal ob man sich kennt oder nicht. Manchmal grübelt man dann schon ob man das Gegenüber nicht doch persönlich kennt. Die ursprüngliche Bedeutung des Grußes ist „möge dich Gott segnen“, durch Mundfaulheit ist die gekürzte Form übriggeblieben.

Eine weitere Eigenheit der schwäbischen Sprache ist das Vermeiden des Präteritum. Niemals sagt ein Schwabe „ich ging“ oder „ich sprach“, nein, er sagt „i bin gange“ und „i hoan gsagt“ Außerdem verwendet er manchmal die falschen Artikel. Im schwäbischen sagt man zum Beispiel der Radio, der Butter und der Schoklad. Bitte nicht wundern wenn dir jemand sagt: „Des ist der, wo samstags sei Auto wäscht“ und nicht „Das ist der, der samstags sein Auto wäscht.  Das Schwäbische verfügt über eine deutlich erkennbare eigene Grammatik, aber es würde langweilig das alles aufzuführen.

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Neben einer Kirche zu wohnen ist gewöhnungsbedürftig. Die Anzahl der Kirchen ist hoch und alle schlagen, neben dem Läuten zum Gottesdienst, stündlich die Glocken. So mancher kann dann bei offenen Fenster nicht dem Radio oder Fernsehen lauschen, da die Glocken so lange laut sind. Vielleicht sind die Schwaben so geizig, dass sich sich keine Uhren kaufen wollen und somit auf das Stundenschlagen angewiesen sind 🙂 Meine Cousine aus Brandenburg antwortete, als ich sie fragte, was ihr hier aufgefallen sei: dass immer  Tag und Nacht die Kirchenglocken läuten.

Die katholischen Kirchen hier zeugen weniger von schwäbischer Entenklemmerei (Geiz). Da wurde nie gespart. Barocke Pracht ist allgegenwärtig. Da wird geschwelgt in Gold und Purpur. Die oberschwäbische Barockstraße zeugt vom Reichtum der Kirchen.

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Auf ländlichen Wegen wird man auch immer wieder durch Wegkreuze, Bilderstöcke und kleine Kapellen daran erinnert gottesfürchtig zu sein:p1120232p1010135-001

Legendär ist auch die obligatorische schwäbische“Kehrwoche“ die wirklich jeder Haushalt durchführen muss. Wehe, wenn einer sich darum drückt. Dazu gehört oft auch das Straßenkehren vor dem Haus. Samstags sieht man dann immer alle Nachbarn auf der Straße . Eine gute Möglichkeit für ein „Schwätzle“. Das ist die kostenlose Zeitung des Viertels. Alle Neuigkeiten und Gerüchte verbreitern sich so rasend schnell. So hier erklärt dies der Elsässer Alfons sehr verständlich für alle, die vorhaben hier zu leben. 🙂

Vor allem ist unsere Gegend hier aber wunderschön und eine Reise wert:

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36 Gedanken zu “Grüß Gott

  1. ein ganz toller Beitrag der mir als „Ur-Schwabe“ natürlich gefällt. Es ist soweit alles richtig was du geschrieben hast und so hat jeder seine Eigenheiten. Ich denke wir als Schwaben sind am ehesten den Bayern nahe und je weiter man nördlicher kommt desto fremder wird man bzw. fühlt sich so ! Manche werden die Eigenheiten die wir haben komisch finden aber ich denke umgekehrt ist es genauso ! Krass ist z. B. ein Schwabe aus dem südlichen Teil Deutschlands gegenüber einem „Ostfriesen“ aus dem nördlichen Teil. Hier sind allein die Dialekte wie eine „Fremdsprache“ ! Mich hat der Beitrag auf jeden Fall gefreut !!! Manni

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    1. Dankeschön, Manni. Es freut mich, dass du dich gut dargestellt fühlst. Ich bin kein Urschwabe, aber hier aufgewachsen und von den Schwaben sicherlich nicht mehr zu unterscheiden 🙂 Außer, dass ich Hochdeutsch kann 🙂

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  2. Schönes Porträt! 🙂 In einem muss ich als Ureinwohnerin aber korrigieren: Die Kehrwoche ist am Aussterben. Ich persönlich kenne niemanden mehr, der sie noch machen muss, oder hast du eine Kehrwoche, die eingehalten werden muss? Ich nicht. Bei uns macht das der Hausmeister, und ich glaube in fast allen Wohnanlagen auch. Meine letzte Kehrwochenaktivität liegt ungefähr 30 Jahre zurück! 😉
    Lieber Gruß, Anhora

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    1. Oh du glückliche! Ich habe bis vor gar nicht langer Zeit in Stuttgart gewohnt. Die Kehrwoche war ein absolutes MUSS! Und wehe, ich habe sie nicht bis Freitagmittag erledigt, sondern erst Samstagvormittag oder – noch schlimmer – Samstagnachmittag. Weltuntergang! Ich wurde regelmäßig gefragt, wann ich denn vorhabe, diese Woche die Kehrwoche zu machen. Es wurde nämlich hinterher kontrolliert, ob ich´s auch richtig gemacht habe… was natürlich nie der Fall war. Das schlimmste war, als ich sie einmal wegen heftiger Krankheit auf Montagmorgen verschieben musste. Das gab einen Streit, das könnt ihr euch nicht vorstellen…
      Ihr seht, ich hab n absoluten Kehrwochenhorror!

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      1. Ohje, du Arme! Meine letzte Kehrwoche liegt wie gesagt Jahrzehnte zurück, spielte sich aber tatsächlich auch in Stuttgart ab! 😉
        Also ich sehe schon: Ich habe mir ein falsches Bild gemacht. Ausgestorben ist die Kehrwoche wohl doch nicht. Was bin ich für ein Glückspilz, dass es in meinen Wohnungen immer Hausmeisterdienste gab. Das zahlt man zwar über die Nebenkosten, aber wenigstens hat man Ruhe – vor dem Putzeimer, und vor den Nachbarn. 😉
        Wohnst du jetzt wieder in einer Wohnanlage? Wie ist es da geregelt?

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      2. ….das kenne ich auch noch als wir noch zur Miete gewohnt haben, gleiches Spiel nur bei mir lagen Papierschnipsel unter den Fussmatten, grausig. ich bin ursprünglich aus dem Badischen, also Feindesland. 😉

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  3. Ein ausgiebiges Schmunzeln bleibt zurück und herzliches Lachen über Puschel-TV. Vieles geht im Laufe der Zeit verloren, vieles bleibt! Auch wenn ich schon sehr lange in der Schweiz lebe, das Servus und Basst scho gehört zu mir.

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  4. Ich habe ja sehr gerne in Unterfranken gewohnt. Allerdings wurde ich dort sofort als „Oberbayer“ erkannt (obwohl ich ja ein Norddeutsches-Ostkind bin, lach). Ich sage immer NA und die Franken NE 😀 Als ich fünf war ist mein Bruder in die Nähe von Rosenheim gezogen für seine Lehre als Koch. Wir waren immer zu Besuch dort. Verliebt waren wir alle in die Landschaft. Nicht aber in die meisten der Bewohner. Welch Unterschied, ob man als Touri da ist oder dort wohnt. Ging mein Bruder allein voraus und grüßte – keine Reaktion bis hin zu wüsten Beschimpfungen „Sau Preuße“ usw.. Ging er mit uns waren die selben Menschen sch… freundlich… Darauf angesprochen wurden dann auch meine Eltern blöd angemacht… In Franken hab ich das ganz anders erlebt. Mittendrin statt nur dabei^^

    Ach, die Kirchen. Da war ja noch was. Dettelbach hat ja mehrere. Könnten die nicht wenigstens mal gleichzeitig läuten??? 😀 Vorteil – man braucht nie eine Uhr. Nachteil, man kommt auch nie zur Ruhe, weil vor allem die Wallfahrtskirche ALLES gibt 😀

    Liebe Grüße und danke für die schönen Fotos 🙂

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  5. Hier im Ort, wo ich nun lebe, bin ich auch eine „Neigschmeckte“ und dieser Ort war früher schwäbisch !!! Ich hatte also viel zu lernen … 🙂 Inzwischen komme ich auch mit der Kehrwoche klar 😉

    Schöner Eintrag!

    ❤ Grüsse und schönen Abend!

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  6. Sehr schön geschrieben und sehr gut getroffen! 🙂 mußte ordentlich schmunzeln. Manches kenne ich auch aus Bayern – irgendwo in den Kommentaren hat ja schon jemand geschrieben, dass sich Bayern und Schwaben in manchen Dingen ähneln.

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  7. Mallybeau Mauswohn

    Grüßgoddle liebe Sylvia!
    Na schwätz i doch glei mol schwäbisch. Des muss i ausnutza, so viele Schwoba han i im Netz bis jetzt no et troffa. Isch n subbr Beitrag gworda, där ons genau beschreibt. Bisch halt a Käpsele 🙂
    Des send scheene Fodos. Aufm vorledschda Bild isch doch d Wurmlingr Kabelle, odr?
    I hoff, s schdert Di et, dass i schwäbisch gschwätzt han.
    I winsch Dr no an scheena Obnd. Bis bald.
    Adele 🙂
    Mallybeau

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  8. Dein Beitrag hat mir sooooooooooooooooo gut gefallen.Ich habe sehr viel dazu gelernt,und ich denke ,ich werde auch eine Kehrwoche einführen, gefällt mir.Grüss Gott ,sagen wir auch ❤ Marterl (Wegkreuz) findet man bei uns auch oft vor ,so wie kleine Kapellen.Die Vergangenheitsform anstatt Präteritum kommt auch bei uns vor.Wow,die Steirer und die Schwaben sind sich sehr ähnlich.Doch was ich nicht verstehe ist : Schwaben gehört zu Bayern oder zu Baden-Würtemberg ? Die liebsten Grüsse und Video war köstlich 🙂 Viele Bussis ❤

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    1. Hauptsächlich sind die Schwaben Baden-Württemberger. Ich denke es gibt einige Gemeinsamkeiten mit den Österreichern, vor allem natürlich mit den Vorarlbergern. Meine Verwandtschaft in Innsbruck hat schon einen ganz anderen Dialekt. Es freut mich dass du Spaß an meiner Einführung hattest. Liebe Abendgrüße zurück ❤

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