Der Rohraff

Wir hatten einmal eine Kneipe in Kehl die hatte den Namen „Rohraff“

„Der Rohraffe beschimpfte sowohl die Gläubigen als auch den Klerus in der Kirche. In Strasbourg und Freiburg gibt es zur Erinnerung noch so einen „Scherzregister“ an der Orgel. Solche Register mit durchaus tieferer Bedeutung haben eine lange Tradition im Orgelbau. An der Gabler-Orgel in Ochsenhausen erscheint ein Ochse der “Kuckuck” ruft, an den Orgeln in den Münstern zu Straßburg und Freiburg droht der “Rohraffe”, im Trierer Dom flötet gar Gott Pan, an der Tauberbischofsheimer Orgel grunzt die “Tauberkröte”.

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Als diese Kneipe zur Verpachtung ausgeschrieben wurde spielten wir und eine befreundete Journalistin gerade mit der Idee eine Kneipe aufzumachen. Einer der den Pfarrer verspottet und Gegenrede zur Predigt führt, der erschien uns mehr als passend als Namensgeber dafür. Das entsprach unserer eigenen Einstellung. So wurden wir Pächter. Die Idee war mit Kunst, Musik, Theater und Lesungen ein kulturell interessiertes Publikum zu begeistern. Kontakte zur Szene hatten wir genug. Ein Weinstube sollte es sein mit guten Weinen aus Baden und dem Elsaß und natürlich Spirituosen aus aller Welt.

Zur Eröffnung gab es die erste Vernissage mit Bildern von Künstlern aus der Ortenau. Eine Freundin von uns, auch ein Fachwerkhausliebhaberin und Malerin und weitere örtliche Künstler stellten gerne bei uns aus. Aus Baden-Baden kamen viele Gäste vom Rundfunk und von SWR3.  Es wurde ein voller Erfolg.

Es folgten viele Wochenenden mit Veranstaltungen. Ein Abend mit irischer Musik, mit vielen irischen und englischen Gästen vom Europarat, die uns fast den gesamten Vorrat an irischem Whiskey austranken. Eine Vernissage mit Bildern von Kindern aus einem Kinderheim auf Zypern mit Versteigerung zugunsten des Heims und das Knast-Theater Freiburg spielte bei uns. Lesungen von Gedichten und Büchern und auch Vorträge von politisch kritischen Journalisten rundeten das Programm ab. Meine Partner reisten viel für ihre Reportagen und bauten die Kontakte auf. Weitere Musikabende, Ausstellungen und Lesungen reihten sich aneinander.

Wir hatten romantische Vorstellungen von der Möglichkeit zu guten Gesprächen und Kontakten mit der Kneipe. Das war aber sehr schwierig zu gestalten, denn wir hatten kaum Zeit dazu. Wir waren alle weiterhin in unseren Berufen tätig. Meine Partner waren journalistisch tätig, mein Freund außerdem als Musiker unterwegs, ich arbeitete als Buchhändlerin. Die Organisation fraß enorm viel Zeit. Die Vorräte mussten eingekauft, die Räume gewischt, die Küche gewienert und die Events publik gemacht werden. Und dann am Abend waren wir Bedienung und Barpersonal in einem.

Man glaubt nicht was man dann nächtens an der Bar so alles erzählt bekommt. Man ist dann auch noch Seelendoktor der verlorenen Herzen. An der Grenze gab es damals längere Öffnungszeiten und ab 2 Uhr nachts kamen dann oft die Einsamen und die Frustrierten. Hinter der Bar stehend konnte man den Gesprächen nicht ausweichen und hörte alle Dramen dieser Welt. Mit dem Anstieg des Alkoholpegels wurden die Hemmungen immer geringer das Innere nach Außen zu kehren. Um Vier war endlich Schluß und dann war man meist totmüde und selbst reif für eine Therapie.

Nach zwei Jahren waren wir uns einig, dass dies nicht so unser Metier sei. Bei allem Erfolg und dem Spaß an den Kontakten wurde uns klar dass dies ein Vollzeitjob ist und keiner von uns wollte seinen Beruf aufgeben. Die Romantik war verloren gegangen. So gaben wir das Projekt erleichtert auf.

Nicht lange danach, in Irland, fing dann die Geschichte mit dem Musikinstrumenten-Import an. Nachzulesen in meinem älteren Beitrag „Wie wir zu Dudelsack-Importeuren wurden“.

 

 

Deutsche Kultur

Wir betreuen einen Studenten aus Nepal der hier an der FH studiert. Wir sind die deutsche Patenfamilie und sollen ihm deutsche Lebensart und Kultur vermitteln. So stellt man sich ab und an die Frage was denn typisch deutsch ist. Mein Mann, Afrikaner, beantwortet ihm sehr gerne seine Fragen. Kürzlich hielt er einen Vortrag über die Gesetze hier, die es für alles und nichts gibt. Wichtig erschien ihm dann vor allem die Mitteilung, dass man hier weder Kinder, noch Frauen, noch Tiere schlagen dürfe. Eine lange Erklärung gab es auch über die deutsche Unart  nicht zuzuhören. Da er immer vom Stöckchen zum Ästchen und dann erst zum Bäumchen kommt und man dabei den Faden verliert, vergaß er zu bemerken. Amüsant fanden beide, wie Deutsche mit ihnen sprechen, wie zum Beispiel: „du gehen dort“. Beide kennen nun „Mahlzeit“ als Gruß zur Mittagspause und das schwäbische „Grüß Gott“ anstatt „Guten Tag“. Stündliches Glockenläuten finden sie seltsam. Haben die Leute hier denn keine Uhren? Neulich sollte ich die Sozialversicherungsnummer erklären. Für solche Fragen bin natürlich ich zuständig, mein Mann ist für Lohnabrechnung, Arbeitslosenversicherung etc pp nicht zu befragen, das ist ihm selbst noch ein Rätsel. Kochen ist mit beiden ein Abenteuer. Sie bekochen mich nämlich auch ab und an. Es müssen sehr große Töpfe sein und viel Zwiebeln und Knoblauch. Wird ja immer eher den Türken zugeschrieben, scheint aber überall beliebt zu sein. Der Student liebt noch Ingwer, mein Mann Erdnußpaste. Beide hauen viel scharfe Peperoni rein. Die Küche ist dann für Stunden belegt und Dampfschwaden ziehen durch die Wohnung, denn alles wird ewig auf höchster Stufe gegart und geköchelt. Aber es riecht köstlich und schmeckt trotz alledem immer lecker. Ich bin dann nur für den Kartoffelsalat zuständig, der immer dazu verlangt wird. Weihnachten lieben beide. Enten- oder Gänsebraten mit Knödeln und Rotkraut finden sie super. Natürlich muss es aber dazu noch Reis und Kartoffelsalat geben. Nach dem Festessen spielen wir „Mensch ärgere dich nicht“ Auch deutsches Kulturgut.  Alkohol steht nur beim Studenten hoch im Kurs. Alles wird probiert und scheint zu munden. Letztes Wochenende waren wir von der FH in ein Hopfenmuseum eingeladen. Wir wohnen ja in einer Hopfenanbaugegend. Zuerst mussten wir wandern. Das lieben die Deutschen wohl, meinten die Studenten. Dann gab es einen Vortrag über Hopfen und Malz und danach ein schwäbisches Vesper. Saurer Käs und Wurschtsalat. War bestimmt Neuland für deren Geschmacksnerven. Kässpätzle fand unserer auch befremdlich und hat es sich nie wieder gewünscht. Sonst essen sie ja eher „Döner“ da es satt macht und nicht teuer ist. Halten sie bestimmt auch für ein deutsches Gericht. Das Bier im Museum, das mochten alle. Frisch gezapft aus der hauseigenen Brauerei. Auch deutsches Kulturgut. Da habe ich ihm dann das Wort „Gemütlichkeit“ erklärt. Das wollte er auch wissen. Wir haben dann noch erklärt, dass wir sagen: da ist Hopfen und Malz verloren. Prost und zum Wohl, das kennen sie inzwischen alle. Demnächst werde ich ihn einmal fragen was er denn für typisch hält. Ich bin gespannt und werde berichten.  P1040828 P1050194 P1050236

Fotos: Sylvia Waldfrau