Abenteuer Nigeria III Ein Überfall

Wir müssen von Ibadan nach Lagos zur deutschen Botschaft. Bei der Ausfahrt aus dem Unigelände stoppt ein Polizist für uns den Verkehr und wie bei einer Staatskarosse werden wir durchgewinkt. Zwischen stinkenden, qualmenden Lkws, Autos und Kleinbussen, vorbei an jämmerlichen Verkaufsständen geht es durch das tägliche Verkehrschaos Richtung Autobahn.

Ibadan.2

Endlich lichtet sich das Getümmel etwas und unser Fahrer gibt Vollgas. Der Fahrer brettert, trotz der Gefahr von Schlaglöchern, mit einem Affenzahn über den Expressway. Buschland fliegt an uns vorbei und für mich ist die Fahrt wieder einmal sehr anstrengend bei dem Tempo und den Straßenverhältnissen. Ein kurzes Tanken an einer verrotteten Tankstelle und dann geht es flott weiter. Einwände bezüglich des Tempos werden immer nur kurze Zeit beachtet, dann packt der Fahrer wieder der Geschwindigkeitsrausch.

Plötzlich, hinter einer Kurve, unerwartet ein Vollstau. Hoffentlich kein Unfall schießt es einem durch den Kopf, den man hört oft von schrecklichen Unfällen. Der Fahrer tritt voll auf die Bremse, ich schreie, halte mich fest und ducke mich nieder. Die Reifen quietschen und rauchen, aber wir kommen dem Stauende immer näher. Völlig kopflos weicht der Fahrer auf den holprigen Seitenstreifen aus und versucht die Spur zu halten. Durchgeschüttelt und gerüttelt halte ich  den Atem an, klammere mich an die Haltegriffe und schließe die Augen.

Expressway.Nigeria

Endlich stehen wir und ich öffne die Augen und schaue in eine MP. Mir stockt nun nochmals der Atem. Polizisten weisen uns schreiend und mit bedrohlichen Gesten der Waffen auf einen seitlichen Parkplatz. Die Türen werden aufgerissen, „come out“ werden wir angebrüllt. Angesichts der auf uns gerichteten Waffen kommt man dem natürlich sofort nach.

Police.Nigeria

Umrundet von der Polizei schauen wir zu wie der Kofferraum durchwühlt und die Motorhaube geöffnet wird. Nummern werden mit unseren Papieren verglichen. Sie flüstern miteinander, beraten sich und lassen uns dabei nicht aus den Augen. Das alles wirkt enorm bedrohlich. Mich weist man dann an wieder einzusteigen, ein Polizist bleibt als Wache daneben stehen, meine Begleiter werden zu einem kleinen Häuschen am Ende des Parkplatzes geführt. Mit grimmigen, wichtigem Gesicht stolziert mein Bewacher mit seinem Gewehr vor meiner Tür auf und ab. „I’m here to protect you“`beteuert er. „You are here to take my money“ denke ich, aber schweige und bin nur froh dass meine Tochter bei Freunden in Ibadan geblieben ist, habe aber gleichzeitig auch Sorge, was nun paßiert und was wäre wenn……… lieber nicht weiter nachdenken. Meine Bitte ob ich eine rauchen dürfte wird gestattet. Die Zigarette und ein paar Schritte gehen beruhigen mich etwas.

Eine Stunde muss ich in der Hitze warten. Innerlich aufgewühlt und nervös wird das Warten zur Tortur. Mehrere Autos stehen etwas entfernt, ich höre aufgebrachte Personen laut schimpfen, sie werden aber von der Polizei in Schach gehalten. Meine Begleiter kommen endlich wieder. Mit zornigen Gesichtern steigen sie ein. Wie viel musstet ihr zahlen? frage ich. Keine Antwort. Sie werden innerlich geflucht haben mit einer Weißen unterwegs zu sein, das hat die Kosten sicherlich enorm erhöht. Sie sind diese Überfälle der Polizei gewöhnt, die damit ihre dürftigen Gehälter aufbessert. Dem Fahrer haben sie sogar mit Gefängnis gedroht, da er mich in Gefahr gebracht hätte in dem er so riskant gefahren ist. Ich hoffe still, dass ihm das eine Lehre ist, den er liebt das Rasen mit dem schnellen BMW zu sehr. Nach ein paar Kilometern wird mir übel und wir müssen anhalten. Die Aufregung fordert ihren Tribut. Der Adrenalinspiegel ist immer noch hoch und es bleibt den ganzen Tag eine Mischung aus Zorn und Erleichterung im Kopf.

Nigeriareise Teil II Besuch Universität Ibadan

Am ersten Tag machen wir morgens die Augen auf und sofort erfolgt die Erkenntnis, dass hier alles sehr, sehr schäbig ist. Am Abend zuvor waren wir zu müde um etwas wahrzunehmen. Es ist nicht dieser hier so begehrte, modische „shabby-look“, sondern ein  „broken shabby-look“.  Alles ist kaputt. Im Gästehaus der Uni Ibadan wird uns schnell bewusst, dass wir zwar in einem eigentlich sehr reichen Land und dessen größter Uni sind, aber Staatsgelder hier niemals ankommen. Putz bröckelt von den Wänden, die Farbe blättert ab, Fensterscheiben sind zerbrochen. Die Bäder sind verschlissen, die Toiletten meist defekt. Wir werden von Freunden in das afrikanische Duschen eingeweiht. Es tröpfelt nämlich nur aus dem Duschkopf. Aber es gibt da einen großen Eimer mit Schöpfkelle neben der Badewanne. Also Eimer füllen und sich selbst mit der Schöpfkelle übergießen. Willkommen in Nigeria geht einem durch den Kopf, hier ist Erfindungsgeist gefragt. Beim ersten Rundgang durch die Räumlichkeiten wird einem die ganze Kläglichkeit vor Augen geführt. Nicht funktionierende Kopierer, kaputte Stühle, defekte Tische. Diese Armseligkeit setzt sich in allen Räumlichkeiten fort. Die Studierenden allerdings scheinen nichts anderes zu kennen und begegnen uns fröhlich und unbeschwert.

Das Essen wird das größte Problem für uns. Alles ist extrem scharf. Es wird wohl eine fleischlose Zeit mit viel trockenem Reis werden. Morgens gibt es nur labberiges Toastbrot, das sind wir ja schon von England gewöhnt. Aber selbst die gebratenen Frühstückseier brennen vor scharfen Gewürzen im Hals. Wir werden einige Kilos leichter nach Hause fahren.

Kirche

Am Sonntag Einladung zum Gottesdienst. Auf dem Unigelände ist eine große, prachtvolle Kirche. Hier ist alles neu und luxuriös. Wir werden von allen Seiten angestarrt. Ein wundervoller Gospelchor begeistert uns. Aber dann startet die Predigt wie ein Donnerhall. Der Pfarrer schreit, droht und brüllt, die Gemeinde stöhnt und klatscht ekstatisch in die Hände. Lautes Drama pur. Wir flüchten recht schnell, es wirkt fast bedrohlich auf uns. Wütende Blicke folgen uns, da wir einfach aufstehen und gehen.

Überall in der Universität  gibt es viele Plakate und Poster mit Aufrufen gegen „Cultisme“.   Soweit man etwas erfahren kann, handelt es sich um Geheimbünde mit alter Tradition und viel Macht und Einfluss. Es gibt wohl Kämpfe und auch Morde zwischen den einzelnen Bünden. Als wir abends in einen Studentenclub gehen wollen, wird uns abgeraten, dort sei es am Abend zuvor zwischen den Gruppierungen zu einer Messerstecherei gekommen. Immer wieder werden wir auch in Restaurants außerhalb des Unigeländes aufgefordert schnellsten zu verschwinden, da Personen auftauchen die uns in gefährliche Situationen bringen könnten. Wir selbst sehen keine Anzeichen dafür, glauben aber gerne den Ratschlägen.

Yorubafrauen als Gäste bei einer Einladung:

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Unser Fahrer mit unserem Auto bei einer Einkaufsfahrt:

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Stolz wird uns auch der Zoo der Universität gezeigt. So viel Elend habe ich noch nie gesehen. Affen in kleinsten rostigen Käfigen ohne einen Ast oder ein grünes Blatt.

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Ein einsamer Gorilla auf einem Stück Rasen umrandet von einem Wassergraben. Löwen in einem kleinen Gehege ohne Auslauf. Teilweise mag man nicht mehr hinsehen, die Kreaturen tun einem unendlich leid und man möchte nur noch wegrennen. Bei uns wäre dieser Zoo innerhalb kürzester Zeit geschlossen.Die Hauptattracktion der anderen Besucher sind aber meistens wir. Man bestürmt uns mit der Bitte Fotos von den Oyinbos (Weißen) machen zu dürfen. Jeder der an uns vorbeigeht zückt die Kamera oder das Handy. Wir erfreuen uns dagegen an den vielen, freilebenden Lizards, die überall auf Mauern sitzen und neugierig und doch wachsam alles beobachten. Sie sind bezaubernd und entschädigen uns von den schrecklichen Bildern des Zoos.

lizard

Gegen Ende der Besichtigung gibt es plötzlich ein großes Geschrei und Männer mit Stöcken schlagen auf ein Gebüsch ein. Snake, Snake (Schlange)wird gebrüllt und alle flüchten schnell. Es gibt dort auch Schlangen deren Gift tödlich ist. Also nichts wie weg.

In den nächsten Tagen müssen wir nochmals nach Lagos und das wird die dramatischte Fahrt des ganzen Aufenthalts. Forsetzung folgt………………

Nigeria, eine gefährliche Reise

Ankunft am hässlichsten Flughafen der Welt. Die Großstadt Lagos mit circa 24 Millionen Einwohnern hat einen so armseligen Flughafen wie man sich das kaum vorstellen kann. Laufbänder funktionieren nicht, Anzeigetafeln hängen schief von der Decke und die meisten waren „out of order“. Nach unserer Zwischenlandung im luxuriösen Flughafen von Dubai kann der Kontrast nicht größer sein. Militär und Polizei überall, eine bedrückende Atmosphäre. Und sofort wird man von Menschenmassen umfangen, die das alles als normal ansehen. Unser Chauffeur empfängt uns und wir gehen unbedarft auf die Reise.

Unser Fahrer stürzt sich todesmutig in das Verkehrschaos, denn wir müssen auf die Autobahn Richtung Ibadan. Kein System, keine Verkehrsregeln sind zu erkennen. Kreuz und quer wird gefahren, Menschenmassen drängeln sich noch dazwischen. Man empfindet übergangslos unendliche Panik. Die Luft stinkt nach Diesel, Benzin und Öl, es wird schonungslos gedrängelt und ohne Vorwarnung die Spur gewechselt. Man sitzt erstarrt, atmet hektisch und fürchtet  sich zu Tode. Der Moloch Lagos empfängt dich mit voller Wucht. Und doch müssen wir durch die ganze Stadt. Straßensperre vorn, also brettern wir ungebremst in eine Seitenstraße. Nach kurzer Zeit umfangen uns Slums. Gestank, Müll und Menschenmassen bedrängen einen und scheinen einen zu erdrücken.

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Hütte an Hütte, nur getrennt von schmalen Fußwegen, drängt sich aneinander. Die Straße voller Schlaglöcher. Müll und Rinnsale unbekannter Herkunft säumen die die Wege. Die Augen sind überfordert von all dieser Armseligkeit und die Nase wird ungeheuerlich gereizt. Alle Türen gesichert durchqueren wir eine Stunde lang einen der vielen Slums von Lagos. In all der Hässlichkeit sieht man jedoch immer wieder bunt gekleidete, stolze Menschen aus den Gassen treten. Selten zuvor habe ich soviel Anmut und Schönheit bei Frauen gesehen. Wenn es einmal Ampeln gibt, dann stürmen zerlumpte Kinder, mit hohen Lasten auf dem Kopf, auf die Straße, umstellen das Auto, klopfen an die Scheiben, um schreiend ihre Waren anzupreisen. Alles wird angeboten. Auf dem Kopf werden Schalen mit Toastbrot oder Wasserflaschen balanciert, Arme voll T-Shirts und Kleidern werden dir entgegengestreckt, Hände voll Uhren und Schmuck feilgeboten. „Oyinbo, Oyinbo“ kreischen die Jugendlichen. Man ist als Weißer und damit als reicher Mensch entlarvt. Man duckt sich weg und würde am liebsten unsichtbar werden und Angst kriecht unweigerlich hoch. Und niemals zuvor habe ich mich so geschämt in diesem sicheren, teuren Auto zu sitzen mit  all dieser unmenschlichen Armut vor Augen.

Endlich Licht am Ende der Hütten, endlich ist die Autobahn erreicht. Aufatmen dass man dieser Hölle entronnen ist. Die Augen suchen nach Erholung, nach Schönem dass sie besänftigt, gleichzeitig klopft das Herz noch einen Takt zu schnell.Gas geben weg, von der Überreizung aller Sinne. Busch- und Grasland säumt die Autobahn. Langsam erholt man sich.

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Da, vor uns am Straßenrand, ist ein dunkler Schatten zu sehen. Beim Näherkommen sind menschliche Umrisse zu erkennen. Zusammengekrümmt und nackt liegt ein toter Mensch direkt neben der Straße. Der Fahrer gibt Gas und man donnert an diesem unfassbaren Bild vorbei. Es brennt sich für immer ins Gedächtnis ein. Warum halten wir nicht an? Zu gefährlich, ist die Antwort, es kann eine Falle sein. Tränen steigen in einem hoch. Aber wir rasen weiter, vorbei an Bäumen, kleinen Ansammlungen von schiefen Hütten, Rastplätzen überfüllt mit schweren Lkws und wackeligen Verkaufsständen.

Plötzlich ein Schlag auf die Achsen, wir werden durchgerüttelt, der Fahrer klammert sich an das Lenkrad.  Metergroße Schlaglöcher mitten auf der Autobahn, durch die man ohne Vorwarnung jonglieren muss. Der Verkehr wird langsam wieder dichter und wir überholen Lkws voller weißer, magerer Rinder mit langen Hörnern, völlig überfüllte Busse und werden auch von denen noch manchmal überholt. Selbst Ungläubige beten plötzlich, dass sie dieser Hölle lebendig entkommen.

Autobahn.Nigeria

Ibadan, unser Ziel, taucht vor uns auf. Wieder empfangen uns zuerst armselige Hüttchen mit wackeligen Verkaufsständen davor, Unrat und Müll umrandet das Bild, bevor wir die ersten festen Gebäude erreichen.Große Werbeschilder für Kirchen, mit herrlichen Palästen dahinter, säumen die Straße. Welchen maßlosen Reichtum zeigen die Kirchen Nigerias, das ist eine Frechheit angesichts der erdrückenden Armut rings herum.  Wieder folgt ein Verkehrschaos pur. Keine Ampeln scheinen zu funktionieren, Polizisten versuchen, in mitten des stinkenden Verkehrs, der Ströme etwas Herr zu werden. Diese werden, bei den Abgasen die sie einatmen müssen, sicherlich nicht alt. Hohe Mauern gekrönt von Stacheldraht oder Glasscherben säumen nun die Straße. Das reiche Nigera schottet sich vollkommen ab und verschanzt sich hinter diesen dicken Mauern. Denn wenn diese Massen einmal aufstehen, dann Gnade dir Gott.

Vor einem großen schmiedeeisernen Tor halten wir an. Endlich haben wir unser Ziel, die größte Universität Nigerias, erreicht. Mit einem Paßierschein für die nächsten zwei Wochen fahren wir nun in ein parkähnliches Gelände ein. Wir atmen auf.

Ich sehe Tränen in den Augen meiner Tochter. Der Kulturschock hat uns beide überwälligt und wir sind völlig erschöpft von der Überflutung von Reizen

Uni.Ibadan.EinfahrtUniversity_of_Ibadan.Guesthouse

Wir werden im Gästehaus der Uni einquartiert. Völlig erschöpft, ignorieren wir die Schäbigkeit des Zimmers,  und fallen auf unsere Betten.

Fortsetzung folgt………..