Appell-Ohr

Ich hätte ein Appellohr, meinte meine Freundin. Eins das immer offen ist für Probleme anderer, ob sie welche haben oder nicht. Neugierig geworden, las ich natürlich darüber nach: also man hat vier Ohren. Im Spiegel sehe ich nur zwei, bin ich also nicht vollständig? Niemand ist vollkommen, vielleicht hat mein Gehirn noch zwei denke ich und lese weiter.

Da gibt es ein „Selbsterkundungsohr“. Ob das meine Gedanken hören kann? Nein, das hört was andere von sich denken. Da offenbart sich das Gegenüber selbst. Ob man das immer wissen will, frage ich mich. Es ist diagnostisch. Es gibt eine Kostprobe der Persönlichkeit. Lecker. Da fallen mir Schweinsöhrchen ein, dies Gebäck liebe ich.

Dann hat man ein „Sachohr“. Wenn mein Mann mir etwas erklärt, dann ist das sofort taub.  Eine langwierige Daten- und Faktenflut überfordert mich meistens. Dieses Ohr ist definitiv nicht mein Bestes. Da sollte ich üben.

Ein „Beziehungsohr“ ist auch vorhanden. Ob das beringt ist, wenn man gebunden ist? Nein, es nimmt vor allem das wahr, was mein Gegenüber von mir hält. Durch Tonfall, Formulierung und Mimik wird mir Selbsterkenntnis geliefert? Wo doch so viele Meister im Verstellen sind, ich zweifle also daran.

Das letzte und offensichtlich mein bevorzugtes ist das „Appellohr“ Selbst wenn mir mein Gegenüber nur vom Wetter berichtet höre ich einen Hilfeschrei und reagiere: „brauchst du einen Sonnen- oder Regenschirm?“ Ich gebe alles. Mitfühlen gehört zu meinen Stärken, manchmal gerät das aber auch zur Falle. Habe ich ein Helfer-Syndrom oder sind das nur altruistischen Verhaltensweisen? Darüber muss ich nachdenken.

Wird nun jedes Gespräch zur Qual, weil ich ständig meine Ohren sortieren möchte? Oder mache ich es wie die Skulptur: Ohren und Augen zu und durch……….

Fazit:Wenn man nun also 4 Ohren hat, dann müsste man doch eigentlich auch 4 Münder haben, oder? Da fällt mir ein, man ist ja auch noch viele Personen. Das Kind-Ich, das Eltern-Ich und das Erwachsenen-Ich. Mir kommt gerade eine Idee: ich gründe mit mir selbst eine hellhörige, vielsprachige WG.

Quellennachweis: Ich und Schulz von Thun, Wolfgang Schmidbauer und Eric Berne

Foto: Sylvia Waldfrau