Loslassen

Ich kann es nicht mehr hören und lesen. All die guten Ratschläge der sogenannten „Trennungsratgeber“. Selbst wenn man guten Willens ist eine Lösung zu finden, dann muss das  mit betroffene Gegenüber auch mitspielen wollen. Es sind immer ZWEI im Guten wie im Bösen.

Was tun, wenn sich der Betroffene den Teufel darum schert, wie man die Situation auflösen kann?  Wenn er nicht loslassen will, aus purer Bequemlichkeit kombiniert mit Sturheit?  Wenn er für keinerlei Informationen mehr zugänglich ist, überhaupt nicht mehr zuhört und man weiß, dass die Konsequenzen daraus vielleicht für ihn dann ein Schock sein werden. Dafür gibt es keine Ratgeber.

Man selbst verharrt dann in einer andauernden Situation, die man so nicht mehr ertragen will und kann. „Geduld“ wird einem angeraten. Aber die Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt und das Warten geht an die Substanz. Nur wenige im Umfeld haben unaufgefordert Zeit und Geduld ein wenig mittragen zu wollen und etwas Ablenkung anzubieten. Denen, die einfach da sind, ist man dann sehr dankbar.

Ein ruhiges Vier-Augen-Gespräch, in dem der Trennungswillige seinem Partner seine Beweggründe offen erklärt, Rückfragen zulässt und einfühlsam und nicht verletzend antwortet, ist wohl die „idealste“ Art, sich zu trennen. Das las ich in einem Online-Ratgeber.

Ich mag so etwas nicht mehr lesen. Natürlich wäre das die beste Art sich zu trennen. Was aber wenn, egal was man sagt, das Gegenüber ablehnend reagiert?  Wenn die Mauern inzwischen so hoch geworden sind, dass man sogar schreiend nicht mehr  gehört wird?Wenn einer sich wie ein Maulwurf vergräbt und keinen Zentimeter mehr bewegt? Dann sitzt man erstarrt da und weiß keinen Weg heraus.

Zuletzt mag man eigentlich nicht mehr darüber reden, sich nicht einmal mehr Luft verschaffen, nicht mehr jammern. Nur noch einmal will ich, jetzt und hier, das Elend in Worte fassen und ins Universum schicken, damit ich nicht daran ersticke.

 

Wenn sich die
Wolken jemals
wieder aus ihrem
grauen Kostüm
befreien werden,
will ich Dich wissen lassen:
Ich habe Dich überstanden.

Claudia Mahlzahn

Foto: Sylvia Waldfrau

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Loslassen / Ein Traum

Als ich heute dieses Bild sah, da fiel mir ein Traum ein, den ich vor langer Zeit hatte und nie vergessen habe. Ich sehe ihn noch vor mir, als wäre es erst gestern gewesen.

Mir träumte ich ging einen langen schmalen Feldweg zwischen Wiesen entlang, der langsam zu einem Hügel aufstieg. Am Hang über mir standen Reihen von Frauen mit langen Bahnen von rotem Stoff in erhobenen Händen und sie schwenkten das wallende Rot über ihren Köpfen. Ich wandelte den Weg entlang und konnte meinen Blick nicht von dem Spiel des Stoffes im Wind und den weichen Bewegungen der fröhlich lachenden Frauen wenden. Sie hoben und senkten die Arme und das sanfte Flattern der Stoffbahnen erinnerte an Wellen des Meeres. Dann ließen die Frauen die Bahnen los und sie schwebten einige Zeit im Spiel des Windes über die Wiese und ich erwachte.

Loslassen und Trennung ist gerade mein Thema. Eine immer wiederkommende Aufgabe die immer wieder geübt werden muss.

Trauer und Neugier auf den Aufbruch in ein neues Leben wechseln sich ab wie das Auf und Ab der wallenden roten Stoffbahnen im Wind.

rote.Tuch